Band 3

Cordula Nolte (Hg.)

Homo debilis

Behinderte – Kranke – Versehrte in der Gesellschaft des Mittelalters

472 Seiten mit 7 Abbildungen
und 54 Tafeln mit 85 teils farbigen Abbildungen
16,5 x 23,5 cm, gebunden
€ 74,–
ISBN 978-3-939020-23-3

vergriffen – 2. Auflage geplant

Beschreibung

Körperlich oder geistig-seelisch beeinträchtigte Frauen, Männer und Kinder begegneten in der vormodernen Gesellschaft unterschiedlichen Deutungen und Reaktionen im Hinblick auf eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit des Körpers und der Sinne. Wie sich die Mitmenschen im Umgang mit jenen verhielten, die ihren Lebensunterhalt nicht durch eigene Arbeit sichern konnten bzw. auf Unterstützung und Pflege angewiesen waren, wurde von ökonomischen und sozialen Zwängen ebenso mitbestimmt wie von christlichen Normen und religiösen Vorstellungen, medizinischen Theorien, ästhetischen Idealen, von standesgebundenem Prestigedenken sowie von allgemeiner Leistungs- und Nutzenorientierung. Die Beiträge des Bandes erkunden aus geschichtswissenschaftlicher, medizin- und literaturgeschichtlicher, anthropologischer, archäologischer sowie kunstgeschichtlicher Sicht, wie Menschen in verschiedenen Bevölkerungsschichten, kulturellen Milieus und sozialen Netzen eigene oder fremde »Handicaps« bewältigten. Indem somit die Möglichkeiten und Grenzen von Solidarität ausgelotet werden, erscheint das gesellschaftliche Miteinander entgegen gängigen Mittelalterbildern in einigen Zügen geradezu als »modern«.

Inhalt

Annelie Keil: »Homo debilis«. Behinderte – Kranke – Versehrte in der Gesellschaft des Mittelalters; Cordula Nolte: Einführung; Hans-Werner Goetz: »Debilis«. Vorstellungen von menschlicher Gebrechlichkeit im frühen Mittelalter; Jan Ulrich Büttner: Sünde als Krankheit − Buße als Heilung in den Bußbüchern des frühen Mittelalters; Irina Metzler: Perceptions of Deafness in the Central Middle Ages; Ortrun Riha: Chronisch Kranke in der medizinischen Fachliteratur des Mittelalters. Eine Suche nach der Patientenperspektive; Ulrich Nonn:
Geistig gesund, körperlich krank, den Tod vor Augen. Das Beispiel der frühmittelalterlichen Testamente; Mariacarla Gadebusch Bondio: Zwischen Tier und Mensch. »Taubstumme« im medizinischen und forensischen Diskurs des 16. und 17. Jahrhunderts; Detlef Goller: »die jungen zir gelîchen, die alten zuo den alten«. Der Platz alter Menschen in der höfischen Literatur; Franz Irsigler: Mitleid und seine Grenzen. Zum Umgang der mittelalterlichen Gesellschaft mit armen und kranken Menschen; Susi Ulrich-Bochsler: Kranke, Behinderte und Gebrechliche im Spiegel der Skelettreste aus mittelalterlichen Dörfern, Kirchen und Klöstern (Bern/Schweiz). Aussagemöglichkeiten zum individuellen Alltag; Simone Kahlow: Prothesen im Mittelalter – ein Überblick aus archäologischer Sicht; Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah: Von der Hand Gottes berührt?! Krankheit, Alter und Armut im Spiegel von Bittgesuchen zur Aufnahme in Dresdner Hospitäler; Gesine Jordan: Hoffnungslos siech, missgestaltet und untüchtig? Kranke Herrscher und Herrschaftsanwärter in der Karolingerzeit; Annette Kehnel: Defizienz und Zivilisationsprozess. Überlegungen zur ›Macht der Schwäche‹ am Beispiel des kranken Königs Hiskia auf der Wiener Reichskrone; Christiane Walter: »utiliter servire non possunt«. Zum Umgang mit chronisch kranken, behinderten, alten oder aus anderen Gründen arbeitsunfähigen unfreien oder abhängigen Personen in der frühmittelalterlichen Grundherrschaft; Klaus-Peter Horn: Überleben in der Familie – Heilung durch Gott. Körperlich beeinträchtigte Menschen in den Mirakelberichten des 9. und 10. Jahrhunderts; Pierantonio Piatti: Infermità e malattie domestiche nell’agiografia eremitana medievale; Susanne Knackmuß: »Moniales debiles« oder behinderte Bräute Christi. (Chronische) Krankheit, Behinderung und Familienbande im Frauenkloster um 1500; Philine Helas: Der Körper des Bettlers. Zur Darstellung und Ausblendung von körperlicher Versehrtheit in der italienischen Kunst zwischen dem 14. und frühen 16. Jahrhundert; Elisabeth Vavra: Die Zeichensprache der Krankheit; Ruth von Bernuth: »wer jm gůtz thett dem rödet er vbel«. Natürliche Narren im Gebetbuch des Matthäus Schwarz; Kay-Peter Jankrift / Cordula Nolte: Zusammenfassung: Mit Krankheit leben. Individuelles Los und kollektive Herausforderung.

Herausgeberin

Cordula Nolte ist Professorin für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Bremen.